Freitag, 17. Oktober 2008

Meine heile Welt?

Mein Haus, mein Auto, meine Yacht - das kennt man ja aus dem Fernsehen.
Und aus dem wahren Leben.
Mein Mann, meine Kinder, mein Blog - das war mir neu.
Das habe ich hier beim Stöbern in den Blogs entdeckt.
Seitenweise Seite von Familien. Meist von der treusorgenden Mutter und Ehefrau verfaßt.
So sagt das Profil, so nehme ich mal an, denn welcher arbeitende Familienvater hat für sowas Zeit und zu sowas Lust. Seiten, die mit neckischen, nach Handarbeit aussehenden Bildchen verziert sind. Mit Schleifchen und Knöpfen und Hintergründen aus geblümter Tapete und kariertem Stoff.
"Hallo, ich heiße Sue und ich liebe meinen Mann und meine Kinder über alles. Basteln und Kochen sind meine heimlichen Leidenschaften. Willkommen auf unserer Webseite. Erfahrt hier alles über unser aufregendes Leben".
Dann folgen Fotos, die dieses vollkommene Glück dokumentieren. Angefangen vom Verlobungsring und den Hochzeitsvorbereitungen, über die ersten Ultraschallfotos der Kinder bis hin zur Einschulung der selbigen. Hübsch dekoriert mit den Logos der Fotostudios die dieses Glück so ansprechend arrangiert und festgehalten haben. Das Brautpaar in verschommener Umgebung. Die Füßchen der Babys in schwarzweiß. Sehr ansprechend.
Sehr steril.
Wer will schon die bröckelende Fassade vom Standesamt sehen? Wer die Karottenflecken in der Wiege?
Zwischendurch gibt es wichtige Infos und selbstgeschossenes vom Urlaub in Disneyland, dem Hund, den Jungs der Familie (zu denen natürlich der Mann gehört) beim Football, den Mädels der Familie bei der ersten Balletstunde. Natürlich dürfen die letzten selbstgestrickten Topflappen und die sagenumwobenden Apfelmuffins bei den News nicht fehlen.
Ach ja - und oft werden wir noch von sanften Popsongs begleitet, die allesamt von der neuen Kuschelrock-CD stammen müssen.
Manchmal gibt es sogar noch die Predigt vom letzten Gottesdienst zum Nachlesen, nebst den Fotos von Kirchen der Nachbargemeinden und anderer sakraler Bauten, die man schon besichtigt hat. Am liebsten mit der Aufforderung sich doch selber so engagiert für den Weltfrieden einzusetzen.
Weichspülung inklusive.
Ist das wirklich für die liebe Familie, die wer weiß wieweit weg wohnt und sonst ja überhaupt keine Ahnung hätte, was da so alles an Abenteuern überstanden werden muß?
Oder ist das für die lieben Ex-Collegefreundinnen, die immer alles besser wußten und nun wenigstens im häuslichen Glück unterlegen sein sollen?
Oder die neugieren Nachbarn und Mütter der Schulkameraden, die selbst nur das Beste für die Familie wollen und sich hier spannende Anregungen holen können?
Und die Gewissheit, daß die Welt doch noch in Ordnung sein kann, wenn man nur will?
Irgendwie ein bißchen als würde man in einem Tschibo-Katalog blättern.
Und irgendwie ein bißchen gruselig.
Und irgendwie kein Wunder, daß Desperate Housewifes so ein Erfolg ist...

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der Eintrag unterstreicht meine für mich gestellte Theorie dass viele Leute (mich oft eingeschlossen)die schönen sauberen Momente des realen Lebens virtuell festhalten um an den anderen Sachen die so passieren nicht zugrunde zu gehen.

Anonym hat gesagt…

hmm. ich frage mich immer, ob die menschen sich die dinge selbst vor augen halten müssen oder ob sie das wirklich in einem akt von seelenstriptease tun um anderen zu zeigen, wie toll nicht ihr leben ist. ich persönlich fotografier da dann doch lieber einen schönen baum u versuch nicht mal ansatzweise, mich, mein leben und den baum zu verstehen...

Nicole hat gesagt…

@ barfuß: Dein Blog ist völlig anders. Nicht wie ein Hochglanz-Prospekt. Genau deshalb mag ich ihn so.

@michi: ich sehe das auch eher als Selbstdarstellung.